Nachdenkliches zur Bedrohung des Chang Tang durch den Menschen
Das Gebiet des Chang Tang ist Chinas grösstes Naturschutzgebiet. Als Chang Tang Nature Preserve stehen nach offiziellen Angaben etwa 300000 Quardatkiolometer Land unter Naturschutz. Trotz dieses hohen Schutzstatus ist diese 'letzte Wildnisregion der Welt', wie der Zoologe Georg Schaller das Chang Tang bezeichnet, massiv durch menschliche Aktivitäten bedroht. Auf dieser Seite möchten wir darüber informieren, aufklären und zum Nachdenken anregen.
![]() Schutzgebiet des Chang Tang Nature Preserve.  | 
        ![]() Chirus per Auto zu jagen ist eigentlich verboten.  | 
        ![]() Viele Chirus fallen Wilderern zu Opfer.  | 
      
Wilderei und Artenschutz
 Es ist naiv zu glauben, dass das angeblich strenge Jagdverbot auf die 
      Chirus, die Tibet-Antilope (Pantholops hodgsonii) eingehalten wird. Die 
      Wilderei wird auch dadurch nicht verhindert, dass das Chang Tang Nature 
      Reserve die höchste chinesische Schutzkategorie besitzt. Es werden immer 
      noch jedes Jahr regelrechte Kämpfe ausgefochten zuwischen der Mafia der 
      Wilderer und den wenigen Beamten, die den Schutz der Tiere erzwingen sollen. 
      
      Seit Jahrhunderten wurde die Tibet-Antilope wegen ihrer Wolle und ihres 
      Fleisches von den Nomaden in kleinem Umfang und sehr nachhaltig gejagt. 
      Doch heutzutage wird das Gemetzel mit Schnellfeuerwaffen von Jeeps aus durchgeführt. 
      Die chinesische Forstbehörde, die auch für den Artenschutz in Tibet zuständig 
      ist, schätzt die jährliche, gewilderte Abschussquote auf 20000 Tiere, nur 
      für die Wolle. Die Verarbeitung der Wolle findet hauptsächlich in den indischen 
      Bundesstaaten Jammu und Kaschmir statt. 
      Als dramatisch ist auch die Situation der Population der tibetischen Schneeleoparden 
      zu bezeichnen. Durch das Vordringen der Haustierherden in immer weitere 
      Hochgebirgsregionen Tibets wird das Verbreitungsgebiet dieser Raubkatze 
      immer stärker in Teipopulationen zersplittert, die sich nicht mehr ausreichend 
      genetisch austauschen können. Ausserdem kommt es durch das Verdrängen der 
      natürlichen Beutetiere durch die Haustierherden immer zu häufigeren Konflikten 
      von Menschen mit dem Schneeleoparden. Zusätzlich bewirkt der illegale Handel 
      mit dem Fell und dem Skelett der Raubkatze eine immer stärkere Wilderei. 
      Tibets wachsender Wohlstand besonders in den Städten, hat eine für die Raubkatzen 
      Asiens tödliche Mode belebt: das Verzieren und Umsäumen von Bekleidung mit 
      dem Fell von Tiger, Schneeleopard oder Fischotter als soziales Statussymbol. 
      "Dieser neue Mode-Trend hat nichts mit alten Traditionen zu tun, die 
      allein auf einige kleine Gemeinden Osttibets beschränkt waren, sondern mit 
      neuem Reichtum", so Dawa Tsering, WWF Projektmanager in Tibet. 
      Die bisherige Vernachlässigung der staatlichen Kontrolle des illegalen Handels 
      mit diesen gefährdeten und streng geschützten Arten ist typisch für den 
      Naturschutz in China und Tibet. Bei einem Gang über den Barkhor in Lhasas 
      Altstadt findet man zahlreiche Geschäfte, die Felle oder Teile davon offen 
      in der Auslage oder hinter dem Schaufenster anbieten. Dem Interessierten 
      und Touristen soll so der Eindruck vermittelt werden, der Handel sei legal, 
      was aber falsch ist! Ein Leopardenfell wechselt für 2200 bis 5000 Dollar 
      seinen Besitzer, ein Tigerfell kostet zwischen 5000 und 9000 Dollar. Die 
      tibetischen Städte sind inzwischen zum grössten Handelsplatz für die Felle 
      gefährdeter asiatischer Raubkatzen geworden. [Zahlen und Angaben von Caroline 
      Liou, WWF China, 2006]
![]() Chirus werden wegen ihres weichen Fells gewildert.  | 
        ![]() Die Überweidung fördert die Erosion.  | 
        ![]() Überweidung auch dort, wo kaum etwas wächst.  | 
      
Veränderte Weidewirtschaft
Bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung in China entsteht ein neuer 
      Wohlstand, und damit auch ein gestiegener Bedarf an Fleisch. Dies übt eine 
      besonders grossen Druck auf die zur Verfügung stehenden Weideflächen des 
      Landes aus, und davon gibt es im Hochland des Chang Tang reichlich. Die 
      Nomden, die traditionell einige Bereiche des Hochlandes mit ihren Schaf-, 
      Ziegen- und Yakherden beweiden, werden dabei als "Fleischproduzenten" 
      der Nation eingespannt. 
      Es lockt ein bequemes Leben in bescheidenem Wohlstand, wer möchte das den 
      Menschen verdenken? Der Preis für die Bestrebungen, die Nomaden in Siedlungen 
      sesshaft zu machen, und die Weidegründe drumerhum dauerhaft zu betreiben 
      wird erst später zu bezahlen sein - wenn es zu spät ist. Bereits in den 
      letzten Jahren wurden immer mehr Gebiete des weiten Grasslandes des Chang 
      Tang eingezäunt. Es heisst, so würde die Arbeit der Nomaden erleichtert, 
      Gebietsstreitigkeiten ausgeräumt und ein effizienteres Bewirtschaften der 
      Flächen möglich. Sicher. Leider wird hier nicht aus Fehlern gelernt, die 
      bereits in anderen Grasslandregionen der Welt gemacht wurden, sei es in 
      Australien, Argentinien, oder Namibia. 
      Durch die Zäune wird einerseits die Ökologie und das Verhalten der Wildtiere 
      stark beeinträchtigt, und das alleine sollte deutlich im Widerspruch stehen 
      zu der Tatsache, dass das Chang Tang Chinas grösstes Naturschutzgebiet ist. 
      Zum anderen ist schon heute zu beobachten, wie die Konzentration von Weidetieren 
      auf den eingezäunten Flächen, den Grasbewuchs nachhaltig dezimiert, die 
      Erosion nimmt zu. 
      Durch die Zunahme des Viehbestandes (laut Schätzungen hat dieser von 1970 
      bis 1990 um das 10fache zugenommen) sind bereits heute beträchtliche Anteile 
      der Weideflächen, nicht nur im Chang Tang, überweidet (im Jahr 1986 waren 
      es 17 %). Die Folgen sind Unterernährung und hohe Sterblichkeit der Tiere. 
      Im Winter 1996 sind bei extremer Kälte in der Region Amdo und im Norden 
      von Kham Grossteile der Yakherden verendet, viele Nomaden verloren so ihre 
      Einkommensquelle. 
Strassenbau und Bodenschätze
Im Untergrund des Chang Tang schlummern viele Erze, wie Uran, Gold, Kupfer, 
      Zink, Lithium, Chrom, Eisenerz. Die zahlreichen Salzseen, liefern zudem 
      für die Industrie wichtige Salze, wie zum Beispiel Boriumsalze oder Quarzit. 
      Nach Chinas Angaben von 1995 wird der Wert der tibetischen Bodenschätze 
      auf umgerechnet 65 Milliarden Euro geschätzt. 
      Seit den 1980er Jahren wird der Abbau der Bodenschätze in verstärktem Masse 
      betrieben und ist inzwischen die wichtigste Wirtschaftsaktivität in Tibet. 
      Dies geht einher mit einer regen Aktivität im Strassenbau, immer weiter 
      hinein in das Schutzgebiet des Chang Tang reichen die mit Maschinen präparierten 
      Pisten. Es ist dabei deutlich erkennbar, dass nicht jedesmal die bessere 
      Erreichbarkeit einer Nomadensiedlung der Hintergrund dieses Strassenbaus 
      ist. Letzendlich ist auch die neue Bahnlinie nach Lhasa nicht für den Tourismus 
      oder die Mobilität der Bevölkerung gebaut worden, sondern für den schnellen 
      und einfachen Abtransport der Bodenschätze aus Tibet.
![]() Strassenbautätigkeiten erschliessen immer neue Gebiete.  | 
        ![]() Nomaden werden zur Sesshaftigkeit in Lehmhütten angregt.  | 
        ![]() Zäune und Lehmhäuser erlauben ein 'bequemes' Leben.  | 
      
Sind wir Eindringlinge?
Wir radeln durch die endlosen Weiten des Chang Tang und verbrauchen lediglich 
      100 ml Benzin pro Tag für unseren Kocher. Mit eigener Muskelkraft reisen 
      wir durch eines der letzten unberührten Paradiese auf unserem Planeten, 
      und hinterlassen unsere Fuss- und Reifenabdrücke in den Hochebenen. Auf 
      den drei Berggipfeln sind unsere Fusspuren im Schnee wahrscheinlich schon 
      längst wieder verweht, lediglich unsere Gipfelmarkierungen - jeweils ein 
      Gehörn der Tibet-Antilope - ist dort verblieben. 
      Auch wir sind Eindringlinge und werden von den Wildtieren als solche betrachtet. 
      Auch wir schleppen unsere Zivilisation in unseren Packtaschen mit uns herum, 
      wenn auch auf einem eher minimalistischen Niveau. Auch wir hinterlassen 
      Spuren, die möglicherweise noch lange sichtbar sind. Auch wir sind Teil 
      des Systems, aus dem wir kommen, Teil des Prinzips, welches auf Profit und 
      Ausbeutung beruht und das dafür sorgt, dass die letzten Naturräume immer 
      stärker zurückgedrängt werden. Und letztendlich sind wir auch Wegbereiter 
      für andere, die genau wie wir von Neugier getrieben, das Unbekannte aufsuchen.
      Wie schuldig sind wir also, wenn wir in dieses Naturparadies eindringen? 
      Bereiten wir als Individualtouristen anderen, letztendlich also dem Pauschaltourismus 
      und dem Massenpublikum nur die Wege? Kann man ein Paradies wie das Chang 
      Tang mit sanftem Naturtourismus erhalten? Klare Antworten auf diese Fragen 
      sind wohl kaum möglich, trotzdem sollten sie gestellt werden und sollten 
      zum Nachdenken über das eigene Verhalten anregen, bei dem zugegebenermassen 
      auch eine gewisse Portion an Egoismus eine Rolle spielt. 
      Es ist uns wichtig, dass diese Gedanken gerade im Rahmen einer für uns sehr 
      erlebnisreichen und sehr emotionalen Reise hier auch angeregt werden, auch 
      wenn wir sie für uns selber nicht befriedigend beantworten können - zu gross 
      war für uns die Versuchung aus Neugier getrieben, die ausgetretenen Pfade 
      zu verlassen. "Go there, check it out", das war unser Motto auf 
      dieser Reise. Jetzt wissen wir, dass es uns vergönnt war etwas sehr Besonderes 
      zu sehen und zu erleben.
Chang Tang Info
Bedrohung durch den Menschen
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Tierwelt
Trotz der Kargheit, birgt das Chang Tang hat eine vielfältige Fauna. Weiter…
Pflanzenwelt
Die Pflanzen müssen sich an eine kurze Vegetationsperiode und das kalte Klima anpassen. Weiter…
Nomaden
Die einzigen Menschen, die dauerhaft in dem rauen Klima des Chang Tang leben können. Weiter…
Geologie / Geographie
Wie entstand das Chang Tang? Hintergrund-Information zu Geologie und Geographie. Weiter…











